Mama69 hat geschrieben: ↑Mi, 03.04.2019 - 21:31
Die beste OP ist immer noch die, die man nicht braucht
Da haben sie absolut recht. Wenn aber eine Op notwendig ist, dann sollte sie ein optimales Ergebnis mit möglichst langdauerndem Erfolg bringen.
Aber ein sachliches Pro und Contra ist wertvoll und wichtig, weder Schönreden noch Schlechtmachen ist für Menschen, die vor einer solchen schwerwiegenden Entscheidung stehen, hilfreich.
Da haben sie auch wieder recht.
Allerdings treibt mich die „Propaganda“ die zu dieser Methode betrieben wird schon ein Stück weit auf die Palme, da sie, nach meiner Meinung, auf Kosten der Gesundheit der Patienten betrieben wird.
Was mich an dieser Methode vor allem stört ist die Begründung warum sie so viel besser als die herkömmliche sein soll und die Tatsache, dass die Studien die existieren für weitaus geringere Krümmungen und jüngere Patienten erstellt wurden, als sie derzeit durchgeführt werden.
und empfanden die Vorstellung, nicht komplett versteifen zu müssen, sehr interessant.
Genau das ist aber der Punkt.
Dabei sollte man die unterschiedlichen Krümmungen betrachten. Also wo muß operiert werden.
Es macht nämlich in Sachen Beweglichkeit einen riesigen Unterschied, ob die BWS oder LWS operiert werden muß.
Aber fassen wir zunächst einmal zusammen warum überhaupt operiert werden muß. Auch da sind die Ansichten sehr different.
Viele Operateure operieren heute schon ab 30°.
Im Übrigen beschreibt die Studie zur VBT auch diese eher geringen Krümmungen bei Risserzeichen von 0-1, also sehr junge Patienten. Diese Patienten kann man aber wunderbar konservativ behandeln.
Meine Meinung ist da eine ganz andere. Aufgrund meiner Erfahrung kann ich im Wachstum befindliche Patienten sehr gut bis zu Krümmungen von 50°-60° konservativ behandeln. Für mich besteht die Begründung zu Op nur dann, wenn das Fortschreiten der Krümmung, trotz Korsett nicht aufgehalten werden kann oder die Patienten die Versorgung ablehnen.
Warum also sollte man sich zur OP entscheiden? Was macht eine Skoliose so gefährlich, dass eine OP nötig wird.
Schmerzen: Diese treten auf, wenn die Wirbelkörper/Bandscheiben aufgrund der Krümmung und Rotation deutlich schneller verschleißen als bei einer geraden Wirbelsäule. Zudem besteht bei ausgeprägtem Flachrücken ein sog. Flatbacksyndrom.
Progredienz: Aufgrund physikalischer Gegebenheiten schreiten Skoliosen ab einem gewissen Krümmungswinkel auch im Erwachsenenalter deutlich voran.
Herz/Lungen Einengung: Ab etwa 60°-70° bei gleichzeitig bestehender starker Rotation, kommt es zu Einschränkungen der Herz/Lungenfunktion die auch im Alter fortschreiten.
Da die Skoliose ein dreidimensionales Geschehen ist (Krümmung + Rotation) und beide Veränderungen für die Probleme verantwortlich zeigen, müssen auch beide korrigiert werden.
Die herkömmlichen Methoden machen genau das. Sie korrigieren Krümmung, Rotation und sag. Profil. Damit sind die negativen Veränderungen reduziert, wenn nicht gar behoben.
Nachteil ist die mit der Op einhergehende Versteifung des operierten WS Abschnitts.
Da heute die Versteifungsstrecken eher kurz gehalten werden. Fällt die Versteifung im Alltag nicht wesentlich ins Gewicht.
Die BWS hat für sich alleine betrachtet, kaum eine Beweglichkeit. Zudem ist sie durch die Skoliose noch einmal eingeschränkt. Bei rein thorakalen Versteifungen berichten die Patienten und das bestätigen auch die Untersuchungen, keine nennenswerten Einschränkungen der Beweglichkeit.
Dem gegenüber steht die VBT. Hier wird aufgerichtet, die Beweglichkeit wird nur in eine Richtung geblockt. Nachteil ist die nicht vorhandene Derotation (außer ich mache einen Eingriff im Bereich der Bandscheiben).
Betrachten wir also die BWS, so habe ich zwar eine Aufrichtung, aber keine Derotation bei sowieso kaum vorhandener Beweglichkeit.
Weiterer Nachteil aus meiner Sicht, der aber noch zu beweisen wäre. Eine operierte Wirbelsäule, sei es auch nur teilversteift, neigt nach einiger Zeit zur kompletten Versteifung. Ich hätte also den Effekt der Restbeweglichkeit nur für einen begrenzten Zeitraum.
Weiterhin glaube ich nicht an die dauerhafte Stabilität des Systems, Folge wäre eine notwendige Revision (Folgeop) nach ein paar Jahren.
Für mich liegen derzeit, für die BWS, die Vorteile der herkömmlichen Systeme deutlich im Vordergrund.
In Sachen LWS mag das VBT Vorteile im Bezug auf die Beweglichkeit haben, allerdings erreiche ich auch da keine nennenswerte Derotation und die Sache mit der zunehmenden postoperativen Versteifung und der Stabilität des Systems bleiben auch offen.
Ich berate meine Patienten immer so, als wären sie meine Kinder. Und die würde ich definitiv nicht mit einer Technik operieren lassen, die studientechnisch nicht klar belegt ist und die keine deutlichen Vorteile zu herkömmlichen, lange erprobten und 1000fach durchgeführten Methoden hat.
Dr. K. Steffan