Hallo Sophia,
Schokokeks hat geschrieben:Wenn ich ehrlich bin, lasse ich mich nur aufgrund meiner Gradzahlen operieren.

Hat es denn jetzt einen Sinn, mich der OP zu unterziehen?
eine allgemeine Regel gibt es nicht. Manche Patienten halten für sich eine OP nur bei Schmerzen für sinnvoll. Manche halten sie nur bei Schmerzen, die selbst ein dauerhaft getragenes Korsett plus Schmerzmittel nicht in Schach halten können für sinnvoll.
Selbst sehe ich das für mich so: eine OP halte ich für sinnvoll, wenn konservative Therapien (Korsett, Physiotherapie) nicht eine Verringerung der Schmerzen, ein Stoppen der Krümmungszunahme oder eine Verringerung der Verkrümmung erzielt haben. Bei hohen Verkrümmungen ist es wahrscheinlich, dass es zu Beschwerden kommt.
Schokokeks hat geschrieben:
Außerdem habe ich Angst, nach der op sehr starke Einschränkungen zu haben.

Dr. Hoffmann meinte, man könnte so gut wie alles wieder machen, aber ich lese hier und auch in anderen Berichten, dass es sogar Probleme bereitet, sich die Schuhe anzuziehen. Das verunsichert mich ziemlich, weil ich mein Leben so gut wie es geht weiterleben möchte. Gibt es hier Operierte, die mir vielleicht sagen könnten, wie das mit den Einschränkungen denn wirklich aussieht?
Ich bin langstreckig versteift, Th3-L5 (15 Wirbel), seit meinem 13. Lebensjahr.
Ja, die Einschränkungen wie z.B. beim Schuhebinden gibt es. Das bedeutet aber nicht, dass es nicht machbar ist - anfangs ist es sehr mühsam, bei vielen muss anfangs jemand helfen, aber mit der Zeit klappt es doch alltagstauglich. Ich binde mir meine Schuhe selbst, es ist umständlicher wenn ich mich dazu nicht hinsetzen kann (typische Situation: bei Besuch vor der Wohnungstür die Schuhe ausziehen). Wenn möglich, setze ich mich dazu hin, wenn es gar nicht machbar ist, binde ich mir die Schuhe im Stehen einigermaßen zu und binde sie bei der nächsten Sitzgelegenheit ordentlich.
Genauso ist es bei vielem anderem. Ich kann z.B. meine Wohnung alleine in Ordnung halten - bin sicherlich ein bisschen langsamer beim Putzen, kann mich nicht so tief bücken, aber es wird alles sauber und ordentlich.
Ich kann auch nicht so schwer tragen, aber auch dafür gibt es Alternativen: Mit Rollenkoffer statt Backpackerrucksack verreisen, mit Trolley statt schweren Taschen und Rucksäcke einkaufen, keine komplett befüllten Getränkekisten heben etc.
Durch meine tiefe Versteifung bis L5 kann ich kaum auf dem Boden sitzen, auch nicht mit Kissen etc., es muss schon ein normal hoher Stuhl sein. Dann setze ich mich auch nicht so tief runter, selbst wenn Freunde das machen. Damit, dass Leute, die mich nicht so gut kannten (z.B. neue Schulklasse) erstmal irritiert reagieren, wenn ich mich z.B. bei einem Ausflug nicht einfach zur Pause auf den Boden runtersetzte, musste ich umgehen lernen.
Ich kann auch Autofahren, mit einem ganz normalen Auto; bei der Auswahl des Fahrzeugs achte ich darauf, dass der Sitz angenehm ist und benutze nach Bedarf einen zusätzlichen Rückspiegel.
Manche Tätigkeiten, die ich als Hobby gut schaffe - weil ich sie dann seltener ausübe und nach Belieben mal stoppen kann - gingen für mich als Beruf nicht.
Wie du siehst: Ja, Einschränkungen sind vorhanden - eine Wirbelsäule mit Versteifung kann nunmal nicht so flexibel bewegt werden. Vieles lässt sich mit anderen Bewegungen, etwas Umstellung des Verhaltens doch gut einrichten. Das erfordert jedoch, zugegeben, eine gewisse Umstellungszeit.
Bei manch anderem wird es - je nachdem, wie lang deine Versteifungsstrecke wird und was du so im Alltag und deiner Freizeit machst - umständlicher.
Mein Fazit: Sehr viel geht irgendwie (mal umständlicher, mal anstrengender), wenig geht absolut nicht. Zu letzterem gehören z.B. Wettkampfsportarten, die zwingend eine starke Oberkörperbeweglichkeit nötig machen oder exakte Bewegungsabläufe vorschreiben, um in einer Mannschaft antreten zu dürfen.
Leute, die von meiner Versteifung nichts wissen, bemerken übrigens zuallermeist im Alltag* nicht, dass ich irgendwelche Einschränkungen habe. Wenn sie davon erfahren, ist es meist so, dass ich ihnen davon erzähle, um z.B. zu begründen warum ich an einer viel zu sportlichen Freizeitaktivität nicht teilnehmen möchte (ich schreibe hier bewusst "möchte": vieles davon ginge schon irgendwie, ich lasse es dann aber doch lieber sein, weil es mir zu umständlich wird; für mich ist ein Fußballplatz einfach nicht der richtige Ort, auch wenn ich den Ball irgendwie kicken könnte und rennen kann

).
*Alltag: z.B. Unterricht mit Ausnahme von Sportunterricht; Arbeiten im Büro; Stadtausflug; Wanderung; Haushalt; Besuch etc.
Schokokeks hat geschrieben:
Und wie sieht das mit dem Wachsen nach der OP aus? Was ist, wenn ich nach der Op noch ein kleines Stück wachse? Muss man mich dann nochmal operieren?
Mit 15 Jahren ist ein Großteil deines Längenwachstums schon passiert, wenn nicht sogar deine endgültige Größe erreicht. Durch die OP wird dein Oberkörper gestreckt, durch die Begradigung wirst du (annährend) deine wirkliche Körperlänge erreichen.
Im versteiften Bereich wirst du nicht mehr wachsen. Weiterwachsen können aber nichtversteifte Wirbelsäulenabschnitte sowie auch natürlich Arme, Beine etc. Implantiert wird daher in deinem Alter sicherlich ein festes Implantat, das sich nicht verlängert. In manchen Fällen ist schon für kleine Kinder eine OP nötig (es gibt z.B. Erkrankungen, zu denen eine stark fortschreitende Skoliose gehört, ein Korsett kaum eingesetzt werden kann), dann werden verstellbare Implantate verwendet, die ein Stück ohne OP in die Länge gezogen werden und dann in weiteren OPs ersetzt werden.
Ich selbst war übrigens mit 13 Jahren längenmäßig schon einige Monate ausgewachsen. Das ist sicherlich etwas früh, aber selbst von der OP nicht betroffene Maße wie meine Beinlänge, Schuhgröße etc. haben sich nicht mehr geändert, also wirklich längenmäßig* ausgewachsen.
Durch die OP wurde ich um 3 cm größer (von 1,57 m auf 1,60 m) und habe diese Größe dann beibehalten.
* schreibe bewusst "längenmäßig", da sich Knochen- und Gewebestrukturen schon noch hin zum Erwachsenenalter ändern, selbst wenn alle Längen gleich bleiben
Noch ein Tipp:
Hier im Forum gibt es nur wenige Leute mit OP. Einige mehr gibt es im speziellen Skoliose-OP-Forum
http://www.skoli-op-forum.de
Viele Grüße
Raven