Zweite Auswertung der Umfrage zu Erwachsenenkorsetts bei Skoliose und sonstigen Wirbelsäulenerkrankungen
Inzwischen haben 40 ehemalige und gegenwärtige erwachsene Korsettträger und Korsettträgerinnen an der Umfrage teilgenommen. Daher möchte ich hier ein kurzes Update geben.
Die Umfrage läuft jetzt seit fünfeinhalb Wochen. In den letzten knapp vier Wochen haben also nur 12 weitere Personen auf die Umfrage geantwortet. Trotzdem hat es bei der einen oder anderen Frage doch Verschiebungen bei den Prozentwerten gegeben. Insgesamt sind die Veränderungen aber durchaus überschaubar.
Unter den Teilnehmern der Umfrage waren übrigens 36 Forenmitglieder und vier Nichtmitglieder, von denen wiederum einer früher auch Forumsmitglied war. Von den 36 Forumsmitgliedern haben alle bis auf drei ihr Forumspseudonym angegeben. 18 haben darüber hinaus noch ihr E-Mail-Adresse für eventuelle Rückfragen angegeben.
Allgemeines zur Korsett-Therapie bei Erwachsenen
Von den 40 bisherigen Umfrageteilnehmern tragen 32 ihr Korsett heute noch immer (80%), 8 haben bereits abgeschult (20%). Zwei Drittel der Umfrageteilnehmer sind männlich (67%), ein Drittel weiblich (33%). Die Verteilung auf die verschiedenen Grunderkrankungen ist inzwischen folgende:
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Bei den Hyperkyphosepatienten gaben 58 % an, in der Jugend an Morbus Scheuermann erkrankt zu sein, der Rest hatte keine solche Erkrankung mitgemacht bzw. wusste nicht, ob er in der Jugend daran erkrankt war.
Bei den Skoliosen handelte es sich bis auf eine Ausnahme um idiopathische Skoliosen, d.h. ein Grund für die Skoliose konnte bei denen nicht gefunden werden.
Die Mehrzahl der Korsett-Patienten ist im Alter zwischen 40 und 60, daran hat sich seit der letzten Auswertung nichts geändert, aufgeschlüsselt auf die verschiedenen Altersgruppen ergibt sich jetzt folgendes Bild:
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Die meisten der Patienten tragen ihr Korsett schon länger als fünf Jahre, das Maximum liegt bei 24 Jahren, der Teilnehmer mit der kürzesten Therapiezeit trägt sein Korsett gerade mal zwei Monate.
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30 % der Befragten trug schon in der Jugend ein Korsett, beim Rest startete die Korsetttherapie erst im Erwachsenenalter. Bei den Skoliosen betrug der Anteil, der schon in der Jugend ein Korsett trug 55%, bei den Kyphosen und Sonstigen Grunderkrankungen 21%. Diese Anteile blieben seit der letzten Auswertung ziemlich konstant.
Bei der Frage, wie lange die Patienten ihr Korsett täglich trugen, gab es gegenüber der letzten Umfrage größere Veränderungen. Der Anteil der Patienten, die ihr Korsett nur bis zu vier Stunden täglich tragen bzw. trugen nahm von 15% auf 23% zu, dafür nahm der Anteil derer, die ihr Korsett täglich 12 bis 16 Stunden tragen, dementsprechend ab. Die längste durchschnittliche Tragedauer lag nach wie vor bei 23,5 Stunden pro Tag, die niedrigste bei 2 Stunden pro Tag.
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Der Anteil derer, die ihr Korsett grundsätzlich nur, oder hauptsächlich nachts trugen hat sich gegenüber denen, die ihr Korsett hauptsächlich tags über tragen im Vergleich zur letzten Auswertung merklich vermindert. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass die ‚neuen‘ Umfrageteilnehmer grundsätzlich auf eine geringere Tragezeit kommen wie die 28 Teilnehmer der Umfrage vom Oktober.
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Die nächste Abbildung zeigt wieder, von welchen Korsettherstellern die gegenwärtig oder zuletzt getragenen Erwachsenenkorsette stammen. Der größte Anteil stammt nach wie vor erwartungsgemäß von Rahmouni, gefolgt von CCtec, was auch keine Überraschung ist. Aber auch Sanomed fertigt Erwachsenenkorsette, und in der Aufstellung taucht auch die Fa. Stolle aus Hamburg bzw. Schwerin auf. Neu dazugekommen sind jetzt noch die Fa. Streifeneder und die Fa. Weitner. Insgesamt kann man sagen, dass die große Mehrzahl der Korsettträger mit ihrem jeweiligen Korsetthersteller vollauf zufrieden waren und sind, wobei es natürlich einzelne gibt, die mit dem Korsett nicht zurechtkamen und daher auch die Korsetttherapie abgebrochen haben.
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Gut 20 % der Befragten verwendeten übrigens zumindest zeitweise zusätzlich zum Korsett ein Halsteil.
Gründe für den Beginn einer Korsetttherapie im Erwachsenenalter
Wir haben ja gefragt, was die Hauptgründe (Primärziele) für jeden einzelnen waren, ein Erwachsenen-Korsett zu tragen. Nach wie vor geben fast 70 % der Befragten als wichtigstes Ziel der Korsetttherapie die Schmerzreduktion an.
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Eine tatsächliche Verkleinerung der Skoliose- bzw. Kyphosewinkel steht dagegen bei Erwachsenen nicht als erstes Ziel im Vordergrund, eher schon eine Verhinderung der weiteren Progredienz.
Auf die Bitte, auf einer Skala von 1 (Ziel nicht erreicht) bis 10 (Ziel voll erreicht) anzugeben, in wieweit das Primärziel erreicht wurde, ergab sich bei allen Befragten jetzt ein Mittelwert von 7,2, bei den Skoliosen betrug der Zustimmungswert allerdings nur 4,5, bei den Hyperkyphosen und sonstigen Erkrankungen dagegen 8,2 bzw. 8.3. Warum die durchschnittliche Zufriedenheit mit der Zielerreichung bei den Skoliosen um so viel niedriger ist als bei den Hyperkyphosen und sonstigen Erkrankungen müsste noch gesondert untersucht werden. Es hängt sicher damit zusammen, dass die Schmerzminderung bei den Skoliosen nicht so sehr im Vordergrund steht wie z.B. bei den Hyperkyphosen.
Wie gut die Korsette bezüglich Schmerzminderung wirken, zeigt auch folgende Grafik: Sie zeigt Auf zeigt den Einffluss der Korsetttherapie auf den Schmerzmittelkonsum der Patienten.
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Zwei Drittel der Umfrageteilnehmer gibt an, dass die Schmerzmittel merklich oder ganz reduziert werden konnten. Nur drei Prozent gaben an, dass sie die Schmerzmittel nicht oder nur kaum reduzieren konnten. Allerdings gab ein Patient / eine Patientin auch an, dass durch das Korsett neue Schmerzen auftauchten, die vorher nicht da waren.
Es darf aber auch nicht verschwiegen werden, dass es unter den 40 Umfrageteilnehmern auch sechs Patienten gab, die ihre Korsett-Therapie abbrachen, obwohl das Therapieziel noch nicht erreicht war. Diese Zahl entspricht einer Abbruchquote von 15 %, unter den 6 Therapieabbrechern waren drei Skoliosepatienten, zwei Hyperkyphosepatienten und ein Patient mit einer Kyphoskoliose. Die Gründe für den Therapieabbruch waren bei zwei Patienten andere medizinische Probleme, die das Korsetttragen unmöglich machten, eine Person konnte das Korsett nicht mit ihrem Alltag vereinen, bei einer Person stellte sich das gewünschte Ziel nicht ein. Einer der Abbrecher hat inzwischen wieder eine Korsetttherapie bei einem anderen Hersteller aufgenommen und ist mit den gegenwärtigen Erfolgen sehr zufrieden. Insgesamt dürfte der Prozentsatz der Therapieabbrecher aber wesentlich höher sein als die Quote, die in dieser Umfrage ermittelt wurde, da davon auszugehen ist, dass Therapieabbrecher weniger Motivation haben, an der Umfrage teilzunehmen, als zufriedene Korsettnutzer.
Untersuchung der Skoliose- und Kyphose-Winkel
Der Mittelwert der thorakalen Skoliosewinkel vor Beginn der Korsett-Therapie lag bei 43°, also bei einem Wert, der bei vielen Ärzten schon im Beginn einer OP-Indikation liegt. Der größte thorakale Winkel lag bei 84°, der kleinste Winkel bei 15° bei einer Kyphoskoliose. Die Korsetts erreichten beim thorakalen Skoliosewinkel eine mittlere Primärkorrektur im Korsett von 40% vom Ausgangswinkel, nach Ende der Therapie bzw. bis zum heutigen Zeitpunkt ergab sich eine durchschnittliche Verminderung des thorakalen Skoliosewinkels von knapp 5° (ohne Korsett gemessen). Bei den lumbalen Skoliosewinkeln betrugen die Werte 39° mittlerer lumbaler Skoliosewinkel, 41% Primärkorrektur und 4° endgültige Winkelverbesserung. Das zeigt, dass wenn eine größere Verbesserung der Skoliosewinkel das Ziel der Korsetttherapie gewesen sein sollte, dieses Ziel nur bedingt erreicht wurde. Eine Verminderung der Progredienz verbunden mit einer leichten Winkelverbesserung konnte aber im Schnitt durchaus erreicht werden.
Bei den Hyperkyphosen betrug der mittlere Kyphose-Ausgangswinkel 70°, die Primärkorrektur, das heißt die prozentuale Winkelreduktion des Kyphosewinkels im Korsett, betrug 32% vom Ausgangswinkel, die endgültige durchschnittliche Verbesserung des Kyphosewinkels bis zum heutigen Zeitpunkt (ohne Korsett gemessen) betrug 16°. Das heißt, das Korsett hatte im Mittel schon erheblich zur Verminderung des Kyphosewinkels beigetragen. Die Verteilung der Winkelreduktion auf verschiedene Klassen zeigt die folgende Abbildung:
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Zum Abschluss der korsettbezogenen Befragung wurde noch die Frage gestellt, ob das Korsett nach Meinung der Nutzer zu einer Verkümmerung der Rumpfmuskulatur geführt hat. Die Antwort war nach wie vor eindeutig negativ. 87% gaben an, dass das Korsett keine Veränderung der Muskelmasse bzw. sogar einen Muskelaufbau bewirkt hat.
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Zusätzliche Fragen zur Gesamttherapie
Um einen Überblick über die Gesamttherapie der Skoliose bzw. Hyperkyphose der Patienten zu gewinnen, wurden die Korsett-Träger und -Trägerinnen zum Schluss noch gefragt, ob sie schon mal an einer Schroth-Rehamaßnahme teilgenommen hatten, ob sie regelmäßig schrothen, ob sie regelmäßig Physiotherapie in Anspruch nehmen oder ob sie öfters das Fitnessstudio aufsuchten.
Die Antworten ergaben, dass 55 % der Befragten bereits einmal oder sogar mehrfach in Bad Sobernheim oder Bad Salzungen zur Reha waren, 5% haben es noch vor und bei 2% ist eine Schroth-Reha konkret geplant.
Die Frage, inwieweit die Patienten regelmäßig schrothen, wurde folgendermaßen beantwortet:
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Dias Ergebnis zeigt, dass die große Mehrheit der Korsettträger (70 %) keine regelmäßigen Schrothübungen zuhause machen.
Die nachfolgende Grafik zeigt die Antworten auf die Frage nach regelmäßiger Physiotherapie. Da hier Mehrfachantworten möglich waren, wurde hier ein Balkendiagramm als Darstellungsform verwendet, da die Ergebnisse insgesamt mehr als 100% ergeben.
Das Ergebnis zeigt, dass die Patienten hier relativ aktiv sind, auch wenn sie zuhause ihre Schroth-Übungen doch eher vernachlässigen. Neben der Schroth-Therapie wird hauptsächlich Manuelle Therapie und unspezifische Physiotherapie in Anspruch genommen. Gut 20% der erwachsenen Korsettträger und -Trägerinnen geht nicht regelmäßig zum Therapeuten.
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Als letztes Bild folgen noch die Antworten auf die Frage, wer regelmäßig ins Fitnessstudio geht bzw. zuhause Fitness-Übungen zusätzlich zur Korsett-Therapie macht. Knapp 60% geben an, gar kein Fitnesstraining zu machen, gut 20% machen ihre Fitnessübungen zuhause. Vom restlichen Viertel machen drei Viertel speziell auf die Skoliose abgestimmte Übungen.
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Gegenwärtiges Fazit
Auch eine Datenbasis von 40 Fallbeispielen ist noch keine ausreichende Grundlage für allgemeingültige Erkenntnisse. Daher hoffen wir nach wie vor, dass sich in Zukunft noch möglichst viele Korsettträger und Trägerinnen an der Umfrage beteiligen. Die Umfrage wird daher weiter offengehalten.
Die bisherigen Ergebnisse zeigen aber weiterhin, dass der übermäßige Anteil der Personen, die im fortgeschrittenen Alter mit der Korsetttherapie beginnen, mit den Ergebnissen der Korsetttherapie in hohem Maße zufrieden ist. Insbesondere bei den Hyperkyphosen und sonstigen Grunderkrankungen ist das Bild durchgehend positiv, bei den Skoliosen ergibt sich eher ein gemischtes Bild.
Dass die Zufriedenheit bei den Skoliosen doch um einiges niedriger, liegt wohl auch daran, dass bei den Skoliosen die Schmerzminderung nicht so sehr im Vordergrund steht wie bei den restlichen Grunderkrankungen.
Grundsätzlich kann man sagen, dass ein Erwachsenenkorsett gerade bei der Schmerzminderung hervorragende Ergebnisse liefern kann, das zeigen die bisherigen Ergebnisse der Umfrage nach wie vor. Aber auch zur Verminderung der Progedienz, das heißt der Vergrößerung der Skoliose- oder Hyperkyphosewinkel über die Jahre, leistet ein Korsett gute Dienste.
Daher hier noch einmal die Aufforderung: Sorgt dafür, dass sich diese Tatsachen auch bei den niedergelassenen Orthopäden herumspricht. Erzählt Ihnen von den Erfahrungen hier. Nach wie vor ist noch ein Großteil der Ärzte Korsetten gegenüber negativ eingestellt, das Gespenst des Muskelabbaus im Korsett macht immer noch die Runde, und ein Patient wird lieber unters Messer gelegt, als dass ihm ein ordentliches Korsett verschrieben wird.
So, das wäre ein weiteres Fazit aus der Befragung. Wenn noch mehr Antworten kommen, werden wir gerne später noch eine weitere Auswertung machen, wobei dies jetzt aber etwas länger dauern kann.
Und zum Schluss noch mal den Link zur Befragung an alle die, die vielleicht noch teilnehmen wollen:
https://forms.gle/vyFCLAyzAKViSUP16
Viele Grüße
Thomas