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Schmerzprotokoll, schwerer als gedacht

Verfasst: Di, 11.08.2015 - 18:58
von Shulk
Ich soll ein Schmerzprotokoll schreiben. Was sich in der Theorie einfach anhört finde ich in der Praxis recht schwer.

Zunächst habe ich direkt aufgeschrieben, wenn es irgendwo angefangen hat weh zu tun, bin aber schon nach zwei Tagen davon abgerückt, weil ich merkte, dass man viel zu sehr auf seinen Körper achtet und eher geneigt ist Schmerzen zu notieren, die es in Wahrheit gar nicht wert sind erwähnt zu werden. Ich will schließlich nicht überempfindlich sein und außerdem ganz normal meinen Alltag leben ohne ständig „nach zu fühlen“.

Also habe ich angefangen abends eine Zusammenfassung zu schreiben. Kurze Schmerzen oder Schmerzen die ich während einer Tätigkeit vergessen konnte sind somit schonmal von vorn herein raus. Wenn ich mich nicht daran erinnern kann, dass was weh tat, dann war´s nicht so schlimm.

Mit dieser Einstellung kam ich dann auch etwas weiter, bzw. habe den Eindruck zumindest schonmal nur die Schmerzen aufzuschreiben, die wirklich störend waren und auch nicht durch Ablenkung zu vergessen waren und somit ein realistischeres Bild abzuliefern.

Nun habe ich aber ein Problem damit die Schmerzen zu beschreiben und in der Intensität einzuordnen. Ich hatte schon einen gebrochenen Ellenbogen, deutliche Bänderüberdehnung (Soll mehr weh tun, als wenn sie reisen), Nierenstein, etc. Ich würde also behaupten ich habe eine ungefähre Vorstellung davon wie stark Schmerzen werden können. Wenn ich von diesem Extrem ausgehe sind die Rückenschmerzen nun nicht gerade zu vernachlässigen, aber streng genommen doch nicht so schlimm. Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht störend sind und meine Lebensqualität nicht einschränken. Ich komme mit mal kurzen stärkeren Schmerzen auch besser klar als mit dauerhaft eher leichten, wobei „leicht“ so zu definieren ist, dass ich sie durch Ablenkung nicht ausblenden kann.

Weiterhin ist bei mir die Schwelle zwischen „noch gut aushaltbar“ / „muss man sich nicht so anstellen“ und „sehr schmerzhaft“ nicht fließend, sondern eher plötzlich. Das macht es natürlich schwer die Zuordnung zwischen 1 und 10 fest zu legen, was ich Dr. Hoffmann und in der Reha auch schon sagte. Ich weigere mich daher auch die Schmerzen nach diesem Zahlenschema zu klassifizieren. Ich verwende eher Bezeichnungen wie „leicht“, „leicht, aber penetrant“, „mittelmäßig“, etc. So wie ich es halt gerade empfinde.

Wie gesagt möchte ich nicht dramatisieren und neige daher auch eher dazu die Schmerzen als nicht so schlimm zu bezeichnen. Ich bin mir schon auch im Klaren, dass es Leute gibt die deutlich stärkere Schmerzen haben, nicht mehr arbeiten oder nicht mehr vernünftig bewegen können. So ist es bei mir zum Glück meistens nicht. Außerdem fällt es mir schwer die Schmerzqualität zu benennen. Sind sie eher stechend, dumpf, drückend, ziehend, [...]. Ich habe den Eindruck mir fehlt der passende Wortschatz und kann sie nicht beschreiben. Die Schmerzen sind grundsätzlich immer im unteren Lendenbereich können dort aber auch „wandern“, also mehr rechts, mehr links, mal mehr am Hüftkochen oder Oberschenkel, mal ausstrahlend, mal ringförmig (die sind besonders unangenehm).

Außerdem habe ich den Eindruck, dass Schmerzen bei mir manchmal mit Verzögerung auftreten. Ich habe letztens mehrere Sprudelkisten zu mir in das zweite OG getragen und da war zunächst nichts. Knapp eine halbe Stunde oder Stunde später bekam ich dann die Quittung, aber da habe ich schon wieder was ganz anderes gemacht. So ist es natürlich schwer bis unmöglich die Schmerzen einer bestimmten Tätigkeit zuzuordnen oder einen Auslöser zu finden. (Kann ja sein, dass die mittlerweile andere Tätigkeit die Schmerzen auslöste, glaube ich aber nicht immer)

Da ich mit Korsett kaum bis keine Schmerzen habe, habe ich mich logischerweise dazu entschlossen das Korsett nicht zu tragen um das Protokoll zu führen. Ja, das funktioniert bislang und ich zerfließe nicht vor Schmerz, aber angenehm ist es (auch abhängig von der Tagesform) nicht, zumal es jetzt nach 2 1 /2 Wochen auch mehr und mehr zunimmt und die Empfindsamkeit steigt. Andererseits gibt es auch nahezu fast schmerzfreie Tage wo man dann richtig sagen kann, dass es sich lohnte das Korsett weg gelassen zu haben. Ich habe daher auch schon mit dem Gedanken gespielt auf Schmerztabletten umzusteigen, aber erstens habe ich eine Abneigung gegen Medikamente und zweitens sehe ich damit das Symptom, aber nicht die Ursache beseitigt. In meine Fehlhaltung (Augenbedingt) ruschte ich ohne Korsett ohnehin direkt wieder wenn ich in eine Tätigkeit vertieft bin. Eigentlich wollte ich mir das abtrainieren, aber das scheint einfach nicht zu klappen.

Ich wollte jetzt einfach mal wissen wie das bei euch so ist und ob es anderen auch so schwer fällt ein Schmerzprotokoll zu schreiben von denen sie am Ende sagen können, dass es das widerspiegelt was sie empfinden und wie ihr die Situation beurteilen würdet.

Re: Schmerzprotokoll, schwerer als gedacht

Verfasst: Mi, 12.08.2015 - 12:37
von SisTa
Hallo,

dass es Patienten schwer fällt, Ihre Schmerzen der numerischen Rating-Skala (NRS, 0-10) zuzuordnen, erleben wir in der Klinik immer wieder. Die Schwelle, ab der normalerweise Schmerzmittel gegeben werden, liegt bei >3. Wenn Du also für dich das Gefühl hast, dass Du Schmerzmittelbedarf hast, bist Du also bereits bei 4 angekommen. Soweit eine kleine Hilfe bezüglich NRS.
Ansonsten frag mal bei deinem Arzt oder in der Apotheke nach einem Schmerzlineal, ggf. auch nach einem für Kinder. Bei dem sind dann auf einer Seite mit Smilies die möglichen "Gemütszustände" abgebildet. Dreht man das Ding um, kann man analog dazu den jeweiligen Zahlenwert der NRS ablesen.

Viele Grüße

Re: Schmerzprotokoll, schwerer als gedacht

Verfasst: Mi, 12.08.2015 - 17:13
von gitti
Hallo,

ich habe vor Jahren folgende verbale Beschreibung dazu bekommen:
Stufen 1+2 = kein oder kaum Schmerz
Stufen 3 + 4 = mäßiger Schmerz, wird bei Ablenkung nicht wahrgenommen, Lesen, Fernsehen o.ä
Stufen 5 + 6 = mittelstarker Schmerz, behindert das Gehen oder Einschlafen
Stufen 7 + 8 = starker Schmerz, weckt den Wunsch zu liegen, Hilflosigkeit kommt auf, Denken und Sprechen kreisen hauptsächkich um den Schmerz
Stufen 9 + 10 = der patient möchte schreien, ist möglichweise deperessiv, sieht keinen Sinn mehr im Leben

LG Gitti
und gute Besserung

Re: Schmerzprotokoll, schwerer als gedacht

Verfasst: Mi, 12.08.2015 - 21:46
von Klaus
Hallo shulk,

also mein Schmerztherapeut (!) bietet mir die Möglichkeit ein Schmerzprotokoll online auszufüllen, was in erster Linie aus "Kreuzchen machen" besteht. Es sind also notwendigerweise viele vorgefertigte Antworten, die man relativ leicht einordnen kann, ohne dass man ständig über seine Schmerzen und deren Beschreibung nachdenken muss.
Das macht es natürlich schwer die Zuordnung zwischen 1 und 10 fest zu legen,.....Ich verwende eher Bezeichnungen wie „leicht“, „leicht, aber penetrant“, „mittelmäßig“, etc. So wie ich es halt gerade empfinde.
Die Intensität der Schmerzen von 0-10 ist bei meinem Fragebogen mit "kein Schmerz" und mit "stärkster vorstellbarer Schmerz" bezeichnet. Wie der persönlich empfunden wird, ist mit 28 (!) Adjektiven beschrieben, die widerum 4 Möglichkeiten des Zutreffens von "Trifft genau zu" bis Trifft nicht zu" beinhalten.
Dazu natürlich noch Fragen zum Alltag und zur psychischen Verfassung.
Alle Fragen soll man tatsächlich aus der gerade empfundenen Situation heraus beantworten.

Was will man denn bei Dir aufgrund des Schmerzprotokolls herausfinden? Dr. Hoffmann ist kein Schmerztherapeut.

Gruß
Klaus

Re: Schmerzprotokoll, schwerer als gedacht

Verfasst: Mi, 12.08.2015 - 22:21
von Shulk
Was Dr. Hoffmann damit genau herausfinden will hat er mir nicht gesagt, bzw. ich habe auch nicht gefragt. Von dem bissel Skoliose, bzw. Kyphose (die keine (mehr) sind) kann es ja nicht kommen, aber ich bilde mir die Schmerzen ja auch nicht ein, zumindest die Stärkeren nicht.

Um mich nicht in die Schwächeren "hinein zu steigern", bzw. um nicht super sensibel zu sein habe ich mich wie bereits erwähnt ja auch dazu entschlossen am Abend eine Zusammenfassung zu schreiben. Das spiegelt dann zwar nicht die aktuelle Situation wieder, aber zumindest landet dann auch nur das in der Zusammenfassung was auch im Nachhinein noch nennenswert ist.

Interessant ist ja, dass die ersten beiden Wochen ohne Korsett relativ OK waren, aber seit dem Wochenende geht es wieder mehr und mehr zur Sache.

Re: Schmerzprotokoll, schwerer als gedacht

Verfasst: Mi, 12.08.2015 - 22:28
von Klaus
Hallo Shulk,
Von dem bissel Skoliose, bzw. Kyphose (die keine (mehr) sind kann es ja nicht kommen, aber ich bilde mir die Schmerzen ja auch nicht ein, zumindest die Stärkeren nicht.
Deswegen würde sich doch ein zertifizierter Schmerztherapeut anbieten.

Gruß
Klaus

Re: Schmerzprotokoll, schwerer als gedacht

Verfasst: Sa, 15.08.2015 - 22:15
von mick
Hallo Shulk!

Ich glaube, es wäre gut, zu wissen, zu welchem Zweck das Schmerzprotokoll sein soll. Denn offenbar hast du doch mit dem Korsett einen wirksamen Weg gefunden, sie zu bekämpfen.
Shulk hat geschrieben:Zunächst habe ich direkt aufgeschrieben, wenn es irgendwo angefangen hat weh zu tun, bin aber schon nach zwei Tagen davon abgerückt, weil ich merkte, dass man viel zu sehr auf seinen Körper achtet und eher geneigt ist Schmerzen zu notieren, die es in Wahrheit gar nicht wert sind erwähnt zu werden.
Ich mal gelesen, dass ein Schmerzprotokoll zu Anfang sinnvoll sein kann, um genauer herauszufinden, woher die Schmerzen kommen; dass man aber bei chronischen Schmerzen da auch vorsichtig mit umgehen soll, da man sich gerade noch mehr auf die Schmerzen fokussiert und die dann unter Umständen noch stärker empfindet. Das erinnert mich da gerade dran. Über welchen Zeitraum sollst du das Protokoll denn schreiben?
Shulk hat geschrieben:Nun habe ich aber ein Problem damit die Schmerzen zu beschreiben
Musste ich auch eine Zeit lang bei einer Physiotherapeutin machen (wenngleich ich kein Schmerzprotokoll geführt habe) und fand/finde das auch wirklich schwierig, zu beschreiben. Ich habe z.B. zwischen "punktuell" (ein bestimmter Wirbel) und "flächig" (im unteren Rücken, neben der LWS) unterschieden oder gesagt, bei welcher Bewegung/in welcher Position es schlimmer wird. Und auch so Sachen wie "ist mit Wärme besser geworden" oder "Wärme hat nicht geholfen". Aber die typischen Adjektive "dumpf", "stechend" etc. fand ich bei mir alle nicht passend.
Mit der Skala fand ich anfangs schwierig - ich wusste dann zwar "nicht so stark" oder "stark" (also, ob ich eher über oder unter 5 liege), aber dann so einen bestimmten Punkt fand ich schwierig. Ich fand aber, dass sich das mit der Zeit legte, weil man einen Vergleich zu vorherigen Situationen ziehen konnte und was man sich da jeweils für Punkte gegeben hat.
Shulk hat geschrieben:So ist es natürlich schwer bis unmöglich die Schmerzen einer bestimmten Tätigkeit zuzuordnen oder einen Auslöser zu finden. (Kann ja sein, dass die mittlerweile andere Tätigkeit die Schmerzen auslöste, glaube ich aber nicht immer)

Ich würde auf alle Fälle beide Tätigkeiten aufschreiben. Vielleicht erkennst du dann besser ein Muster, wann die Schmerzen auftreten. Allerdings muss das ja auch nicht immer mit einer bestimmten Tätigkeit zusammenhängen - manchmal hat man auch einfach nachts falsch gelegen und zieht dann eine Verspannung durch den Tag und reagiert viel empfindlicher z.B. auf Kistentragen, langes Sitzen etc.
Shulk hat geschrieben:Von dem bissel Skoliose, bzw. Kyphose (die keine (mehr) sind) kann es ja nicht kommen, aber ich bilde mir die Schmerzen ja auch nicht ein, zumindest die Stärkeren nicht.
Du bildest dir wahrscheinlich gar nichts ein, auch die leichteren Schmerzen nicht. Schmerzen sind nicht proportional zur Größe der Skoliose/Kyphose. Wenn sie mit dem Korsett weg sind, spricht doch einiges dafür, dass sie da herkommen?

#
Shulk hat geschrieben:Ich habe daher auch schon mit dem Gedanken gespielt auf Schmerztabletten umzusteigen, aber erstens habe ich eine Abneigung gegen Medikamente und zweitens sehe ich damit das Symptom, aber nicht die Ursache beseitigt. In meine Fehlhaltung (Augenbedingt) ruschte ich ohne Korsett ohnehin direkt wieder wenn ich in eine Tätigkeit vertieft bin. Eigentlich wollte ich mir das abtrainieren, aber das scheint einfach nicht zu klappen.
Das ist aber auch extrem schwierig, wenn man nicht bewusst dran denkt... Zu den Schmerztabletten: Wieso denn, wenn es mit dem Korsett gut funktioniert?

Viele Grüße,
mick