Skoliose / M. Scheuermann im Berufsleben

Infos zu weiteren WS-Deformitäten, die mit Skoliose zusammen oder alleine auftreten
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Scheuermann_22
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Diagnose: M. Scheuermann: 45° Hyperkyphose BWS, 61° Hyperlordose LWS, 3° Skoliose, Hohlrundrücken; chronische Lumbalgie; Kiefer-Kypho-Skoliose; Hohlfüße; Beinlängendifferenz; Kieferfehlstellung; Cervicalsyndrom
Therapie: Allgemeine KG; seit März 2012 bei Dr. Wilke in Berlin in Behandlung; Reklinationskorsetts von CCtec in Berlin: 04-2012, 04-2015, 09-2019; Schroth-Therapie-Einzelsitzungen seit 06-'13; Schroth-Kur / Reha in Bad Sobernheim 01/2014; Reha in Bad Salzungen 02-03/2015
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Skoliose / M. Scheuermann im Berufsleben

Beitrag von Scheuermann_22 »

Hallo liebe Forumsmitglieder,

heute möchte ich einmal eine Thematik ansprechen, die sehr wichtig für viele Patienten ist und sicherlich auch sehr interessant sein wird. Es geht um die Alltagsbewältigung mit der Erkrankung Skoliose bzw. M. Scheuermann - hier insbesondere im Berufsleben.

- Welche Berufe sind für Skoliose- / M. Scheuermann-Patienten geeignet bzw. ungeeignet?
- Welche Einschränkungen bestehen bei bestimmten Berufen mit Korsett?
- Welche Berufe können nach einer Spondylodese überhaupt nicht mehr ausgeübt werden?
- Gibt es Mitglieder, die einen Schwerbehindertenausweis beantragt haben oder laut 9. Sozialgesetzbuch unter die Rubrik der "Gleichstellung" fallen?
- Welche Möglichkeiten bietet der Staat für soziale Zuschüsse aufgrund von Wirbelsäulenerkrankungen (z. B. Rente ...)

Ich für meinen Teil musste den Beruf als Elektroniker f. Betriebstechnik in der schweren Instandhaltung aufgeben, da er einfach mit Korsett nicht ausführbar ist. Würde ich das Korsett weglassen, so hätte ich den ganzen Tag über Schmerzen ohne Ende - wie soll man sich da auf die Arbeit konzentrieren? Und diverse Schmerztabletten beeinträchtigen auch gewisse Tätigkeiten (z. B. an sicherheitsrelevanten Bauteilen).

Mein Antrag auf Schwerbehinderung wurde vor einem Jahr leider abgelehnt und auch eine Gleichstellung würde mir angeblich nicht zustehen - eine absolute Frechheit von den Sozialverwaltungsämtern!!! Mein Arbeitgeber hatte überhaupt kein Verständnis mit meiner Erkrankung ... trotz Betriebsrat!!! :nein:

Somit bin ich in die Selbstständigkeit gewechselt, da mir hier niemand vorschreiben kann, wie, wo und wann ich zu arbeiten habe. Natürlich muss man auch hier seinen Pflichten nachgehen ... Man kann aber diesbezüglich seine eigenen "Körperpausen" einlegen, wenn es halt mal nicht weitergeht. Um es anders auszudrücken: Mir blieb gar keine andere Wahl als die Selbstständigkeit! Aber was ist mit all jenen Patienten, die nun einmal nicht die Möglichkeit haben, selbstständig zu arbeiten, egal aus welchem Grund auch immer? ;(

Ich für meinen Teil finde, dass sehr große Unterschiede in Konzernen und Großbetrieben gemacht werden, auch wenn immer von "Gleichbehandlung" gesprochen wird - DER GRÖSSTE BLÖDSINN, DEN ICH KENNE! Das nutzen Arbeitgeber nur, um an Zuschüsse für Schwerbehinderte zu kommen. Leider erlebte ich immer wieder, dass Schwerbehinderte nix davon haben. Da war nicht einmal Geld für einen neuen Bürostuhl da. In der Praxis sieht es leider immer ganz anders aus!!! Hier wird man nämlich als M.-Scheuermann-Arbeitnehmer ABGESCHOBEN! :<

So, genug aufgeregt. ;)

Jetzt seid ihr gefragt: Welche Berufe führt ihr aus und wie kommt ihr im Alltag damit klar?

Liebe Grüße.

Marco
Nur die Besten kommen weiter, aber der Weg ist immer noch das Ziel!

Mein Erwachsenenkorsett von CCtec: http://www.skoliose-info-forum.de/viewt ... 26&t=28394

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Raven
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Diagnose: vor OP: thoralumbale juvenile /adoleszente Skoliose, ca. 55°
Therapie: OP: 1997 mit 13 Jahren Versteifung Th3 - L5 / Hessing-Klinik Augsburg; kaum Restgrade

Re: Skoliose / M. Scheuermann im Berufsleben

Beitrag von Raven »

Hallo Marco,

ich beschreibe hier mal meine Situation, obwohl hier nur wenige Operierte sind. Bestimmte Aspekte sind sicherlich mit dem Tragen eines Korsetts vergleichbar.
Jetzt seid ihr gefragt: Welche Berufe führt ihr aus und wie kommt ihr im Alltag damit klar?
ich arbeite in einem technischen Büroberuf (Software-Entwicklerin/Physikerin, zunächst Berufsausbildung, dann studiert). Ich bin seit meinem 16. Lebensjahr, rechnet man die betriebliche Ausbildung mit, berufstätig.

Nicht klargekommen bin ich mit (alles jeweils nach der Versteifungs-OP, da durch die Versteifungs-OP mit 13 Jahren jegliche Berufsfindung, berufsrelevante Ausbildung nach der OP lag):
- Berufsfindungspraktika im Bereich Elektronik, Mechatronik, "typische" Technikberufe: so sehr mich das interessierte, so sehr ich technisches Geschick "vom Kopf her" gezeigt habe, ich konnte die üblichen Körperhaltungen nur unter Schmerzen und teils absolut nicht bewältigen. Mit einer Versteifung Th3-L5 kann ich einfach nicht so
http://www.slv-bz.de/fileadmin/user_upl ... iker02.jpg
http://www.nuermont.de/blog/images/11-1 ... iker-1.jpg
arbeiten.
- technische Praktika im Studium: die waren verpflichtend, sehr mühsam; Werkstatt oder Labor sind für mich körperlich einfach nichts
- andere Tätigkeiten, die es kaum möglich machen, den Arbeitsplatz ergonomisch anzupassen, und die es erforderlich machen, durchgängig am Platz zu bleiben und Pausen nicht eignen Bedürfnissen anzupassen (z.B. Kasse, Pforte, Labor); dazu würden z.B. auch Tätigkeiten gehören, die häufiges und langes Autofahren bedeuten, auch Tätigkeiten mit improvisiertem Arbeitsplatz (z.B. draußen) sind für mich nicht geeignet.
- was für mich auch nicht funktioniert, sind Tätigkeiten, die allgemein gesagt "körperliches Geschick" verlangen: Balance halten, viel Kraft einsetzen etc. kann ich nicht.

Womit ich gut zurecht komme, bzw. was ich brauche:
- wechselnd stehen und sitzen möglich
- Arbeitsplatz ist ergonomisch anpassbar, d.h. Stuhl und Tisch können bei Bedarf durch einen anderen ersetzt werden, wenn die vorhandenen mir nicht zuträglich sind
- Arbeitsplatz kann zu beliebigen Zeiten für eine (kurze) Pause verlassen werden, was bei mir möglich ist, aber z.B. bei Kundenkontakt, bei der Beaufsichtigung von Abläufen etc. nicht gegeben wäre
- gut, aber nicht zwingend nötig: nach Bedarf von zu Hause aus arbeiten können, und das spontan; auch das ist bei meinem Arbeitgeber möglich und üblich (auch völlig gesunde Kollegen machen das häufig)

Unter den Umständene kann ich die üblichen Stunden bzw. mit Überstunden schmerzfrei arbeiten. Bestimmte Sonderregelungen, Beantragungen etc. benötige ich unter diesen Umständen nicht für meine Berufstätigkeit.

Einen Schwerbehindertenausweis habe ich beantragt, jedoch nur einen GdB von 40 erhalten.

Viele Grüße
Raven
Ich bin nicht auf die Welt gekommen, um so zu sein, wie andere mich haben wollen.
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