Versteifung BW10- S1

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Gela01
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Versteifung BW10- S1

Beitrag von Gela01 »

Hallo, ich bin 51 Jahre alt und habe , nachdem ich vor 25 Jahren über sechs Wirbel versteift wurde, nun demnächst leider eine weitere OP in Neustadt vor mir. Dort wird die alte Versteifung mit dem Becken L5/S1 fixiert. Sodass ich letztendlich von B10-S1 steif bin. Wer ist über so eine lange Strecke hinweg auch versteift und kann mir über seine Erfahrungen im Alltag berichten ( Schuhe/Strümpfe selbständig anziehen/Auto fahren etc.) . LG
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Raven
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Re: Versteifung BW10- S1

Beitrag von Raven »

Hallo Gela,

meine Versteifungsstrecke ist Th3 - L5, also nach oben hin mehr (Brustwirbel werden mit Th bezeichnet), unten ein Wirbel weniger als bei dir geplant. Ich bin zudem jünger als du (aktuell Mitte 30, OP war mit 13 Jahren.)
Bei dir dürften etwas mehr Einschränkungen als bei mir auftreten.

Was ich bemerke, und ich schätze mal ab, dass deine Einschränkungen auch das als Minimum umfassen werden:
- Beim Sitzen soll der Sitzwinkel > 90 Grad sein (Knie tiefer als Gesäß), ansonsten wird es schon im einstelligen Minutenbereich schmerzhaft.
- Niedriges Sitzen (Couch etc.) geht kurz, ist aber extrem unbequem - ich meide es. Die bequemste Sitzmöglichkeit ist für mich ein Kniestuhl: Keilkisseneffekt extrem, die Knie sind sehr weit unterm Gesäß.
- Socken anziehen, Schuhe binden: geht, wenn ich ein Bein hochnehme (mit der Hand hochziehe und dann auf dem anderen Knie ablege) und mich dann ankleide; Schuhe binde ich doppelt damit sie mir unterwegs nicht aufgehen können. (Bestimmte Schuhe gibt es kaum mit Klettverschluss oder Reißverschluss, sodass ich Schuhe zum Binden trage. Z.B. Wanderschuhe, Anzugschuhe findet man nicht mit Klett.)
- Hosen mit Gummibund, eher weiter Schnitt sind viel besser als enge, steife. In z.B. (engen modischen) Jeans bin ich so stark in Bewegungen eingeschränkt, dass ich solche seit Versteifung nicht mehr trage. Nein, ich laufe nicht andauernd in Jogginghosen herum (nur zu Hause) :) Für die Arbeit, für draußen etc. habe ich mir z.B. Anzughosen mit Gummibund, Trekking-Hosen, teils auch sogenannte "Reisehosen, Autofahrerhosen" gekauft (die sind so geschnitten, dass sie beim Sitzen nicht unbequem werden). Vor Kauf teste ich immer aus, ob ich es mit der Hose schaffe, in die Hocke zu gehen.
- Autofahren: Der Sitz muss passen, das Gesäß muss weiter oben sein als die Knie. Absolut wichtig. Ich achte darauf, dass das Fahrzeug auch hinten Türen hat (ansonsten kann ich auf der Rücksitzbank abgelegte oder nach hinten gerutschte Gegenstände nicht mehr herausholen). Einschränkungen merke ich ansonsten eher durch die lange Versteifung nach oben hin: Schulterblick geht nur andeutungsweise. Zusatzspiegel helfen hier enorm.

Schwierig ist für mich generell: langes Sitzen, Sitzen bei dem die Knie oberhalb des Gesäßes sind (auf dem Boden, Couch etc.), unergonomisches Arbeiten (habe einen Büroarbeitsplatz - Stuhl- und Schreibtischhöhe, Displayhöhe etc. müssen genau stimmen), auch unergonomisches Arbeiten zu Hause (würde z.B. nie an einem fürs Sitzen gemachten Tisch stehend arbeiten, was ich immer wieder bei "gesunden" Leuten sehe: am Küchentisch stehend Gemüse schnippeln, nie und nimmer!). Es ist für mich auch wichtig, immer wieder aufstehen zu können, wenn ich das brauche (Job bei dem man permanent am Platz bleiben muss, wie Kasse oder Empfang, ginge nicht).

Viele Grüße
Raven
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Re: Versteifung BW10- S1

Beitrag von Raven »

Nachtrag: Versteifung bis S1 und Beckenfixierung wurde bei mir angedacht da L5/S1 stark gekippt war (und ist), wurde aber damals wegen sehr jungem OP-Alter (13) nicht durchgeführt und nur bis L5 versteift.
Bislang alles okay; mir ist aber auch bewusst, dass sich das noch ändern kann in all den Jahren an Leben, die ich rein statistisch noch vor mir habe (ich rechne nicht damit, dass meine Versteifung ganze 70 oder 80 Jahre lang problemlos hält...).

Einige wenige Menschen mit Versteifung bis S1 und Beckenfixierung hatte ich früher bei Forentreffen gesehen/ kennengelernt (wahrscheinlich wird ob der Seltenheit niemand im Forum sein, mit Versteifung bis L5 bin ich meines Wissens nach hier der-/diejenige mit der längsten/ tiefsten Versteifung). Die Beweglichkeit wirkte schon etwas eingeschränkter als bei mir, noch etwas vorsichtigere und noch etwas weniger flüssige Bewegungen. Ich kann mich nur ganz exemplarisch an eine Person erinnern, die es mühsam (aber machbar) fand, sich in einem Restaurant auf einer der typischen Eckbänke weiter durch zu "schieben" (auch mir fällt das erkennbar schwerer als Menschen mit unversteifter Wirbelsäule, da man dafür normalerweise den Oberkörper rotiert und zusätzlich die Lendenwirbelsäule einsetzt, was nicht mehr geht).

Viele Grüße
Raven
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Re: Versteifung BW10- S1

Beitrag von Gela01 »

Vielen Dank erstmal für deine Antwort. Ja, es ist schwierig jemanden Gleichgesinnten zu finden, der auch über so eine lange Strecke versteift ist. Ich bin 25 Jahre mit der bisherigen Versteifung klar gekommen. Doch nun hält mein L5 nicht mehr stand . Meine größte Sorge ist es nach der OP nicht mehr selbstständig agieren zu können, wie Strümpfe und Schuhe anziehen.
Es tut gut zu wissen, dass man nicht die einzige ist, die mit einer so langen Versteifungsstrecke zu kämpfen hat. Die Fixierung mit dem Becken allerdings versetzt mich doch in Ungewissheit , was mich erwarten wird. Ich wusste auch , dass es irgendwann so kommen wird. Tja, nun heißt es Augen zu und durch ....
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Re: Versteifung BW10- S1

Beitrag von Raven »

Hallo Gela,
Gela01 hat geschrieben: Mi, 02.03.2022 - 07:56Meine größte Sorge ist es nach der OP nicht mehr selbstständig agieren zu können, wie Strümpfe und Schuhe anziehen.
Es tut gut zu wissen, dass man nicht die einzige ist, die mit einer so langen Versteifungsstrecke zu kämpfen hat. Die Fixierung mit dem Becken allerdings versetzt mich doch in Ungewissheit , was mich erwarten wird. Ich wusste auch , dass es irgendwann so kommen wird. Tja, nun heißt es Augen zu und durch ....
die Sorge kann ich gut verstehen - auch mir ist Selbstständigkeit enorm wichtig! (Um auch als junger Mensch mit langstreckiger Versteifung selbstständig im Alltag zu sein, mache ich etliches etwas anders. Das hilft immens, um Dinge dennoch grundsätzlich tun zu können und um schmerzarm/-frei zu leben.)
Noch etwas zu Socken und Strümpfen: Es gibt Hilfsmittel zum Anziehen von Socken/Strümpfen, die dies selbst bei wesentlich größeren Bewegungseinschränkungen selbstständig ermöglichen. Hier wird der Sock/ Strumpf zunächst auf eine Halterung aufgespannt und dann über den Fuß gezogen. Meine Mutter nutzte dies z.B. nach einer Hüft-OP, nach der es zunächst unmöglich war die Füße zu erreichen.
Kommt man in Schuhe zum Binden gar nicht mehr hinein, weil man es weder schafft, den Fuß durch Vornüberbeugen aus der Hüfte noch durch Hochlegen zu erreichen, kann man Schuhe die gebunden werden mit elastischen Schnürsenkeln versehen (und dann ohne Fuß drin binden) und einen extralangen Schuhanzieher nutzen - die gibt es so lang, dass man sich Schuhe bei aufrechtem Stehen anziehen kann. Elastische Schnürsenkel gibt es in sportlichen Varianten für Turnschuhe (dafür waren sie zunächst gedacht), aber auch so gemacht dass sie völlig unauffällig für schicke Schuhe wie Lederschuhe, Tanzschuhe, Anzugschuhe passen.

Wichtig finde ich auch: Lebt man alleine oder kann nicht über die meiste Zeit des Tages jemand bei einem sein (war bei mir nicht so, lebte ja noch bei den Eltern), vor OP alles was man benötigt auf normale Greifhöhe ohne Bücken räumen. Also Kleidung, Handtücher, (Nachfüllpack) Körperpflegemittel, Lebensmittel zur einfachen Zubereitung, Dinge mit denen man sich anstrengungsfrei beschäftigen kann. Eine Greifzange ist hilfreich (z.B. anfangs um sich anzukleiden), schafft aber das Hochheben größerer und schwererer Gegenstände wie volle Flaschen oder schwere Bücher oft nicht.
Schaue dir vor OP auch mal an, wie du in deiner Gegend Lebensmittel (und Haushaltsprodukte) geliefert bekommen kannst. Etwa REWE (liefert nicht überall) liefert ab einem für einen Einkauf realistischen Mindestbestellwert (der war bei meiner letzten Nutzung bei um die 60 Euro) ohne Liefergebühren.

Dauerhaft auf Hilfe angewiesen ist man nach einer S1-Beckenfixierung nicht, genauso wie man es nach einer Versteifung bis L5 nicht ist (auch hierbei hatte ich vor OP sehr große Bedenken, und auch noch während der Genesungszeit, wie ich damit bloß typische Alltagsanforderungen bewerkstelligen soll die man für den Alltag erstens einfach erledigen muss (putzen, einkaufen, wenn man ländlich wohnt auch Autofahren etc.) und die ich zweitens auch tun möchte (Reisen, schöner Beruf etc.)). Bei vielem wirst du dich wahrscheinlich wieder arrangieren müssen, das ist klar.

Alles Gute für die OP!

Viele Grüße
Raven
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Re: Versteifung BW10- S1

Beitrag von Gela01 »

Vielen lieben Dank für deine ausführlichen Tipps.
Ich bin zwar seit 28 Jahren verheiratet und habe drei Kinder, doch ich möchte natürlich nicht auf Dauer unbedingt auf deren Hilfe angewiesen sein. Dazu sind deine Vorschläge sehr hilfreich.
Ich sehe schon, ich muss wohl für den Alltag sehr viel Kreativität walten lassen, wobei mir die anschließende Reha hoffentlich helfen wird.
Vielen Dank für deinen regen Austausch.
Liebe Grüße!
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Re: Versteifung BW10- S1

Beitrag von Raven »

Gela01 hat geschrieben: Do, 03.03.2022 - 08:38 Ich bin zwar seit 28 Jahren verheiratet und habe drei Kinder, doch ich möchte natürlich nicht auf Dauer unbedingt auf deren Hilfe angewiesen sein. Dazu sind deine Vorschläge sehr hilfreich.
Das kann ich absolut verstehen :ja: Auch ich bitte meinen Mann (sehr verständnisvoller, hilfsbereiter Mensch) oder andere Menschen nur um Hilfe, wenn dringend nötig - erstens kann ich sehr vieles selbst, zweitens hält Aktivität (sofern man sich nicht überlastet) auch fit.
Ich sehe schon, ich muss wohl für den Alltag sehr viel Kreativität walten lassen, wobei mir die anschließende Reha hoffentlich helfen wird.
Vielen Dank für deinen regen Austausch.
Liebe Grüße!
Reha und die Genesungszeit hilft dabei üblicherweise.
Bei vielem habe ich mir auch zur Motivation gesagt: Auch Menschen mit größeren Einschränkungen können selbstständig leben.

Viele Grüße
Raven
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Re: Versteifung BW10- S1

Beitrag von Gela01 »

... da hast du sicherlich Recht. Lieben Dank für deine Worte.
Am 3.5. ist die OP. Bis dahin werde ich mir noch etwas Mut zusprechen. Da ich es ja eh nicht ändern kann, versuche ich das Beste draus zu machen und vertraue auf die Zukunft, dass alles gut wird.
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