Ich bin neu - also ein "hi!" in die Runde!
Ich habe mich spontan angemeldet, weil ich diese Diskussion wirklich interessant fand - denn die Frage hat mir noch niemand gestellt, im Grunde genommen fragt außer Ärzten auch nie irgendjemand irgendetwas zu dem Thema, und die fragen auch eher andere Dinge. Schon merkwürdig, denn obwohl meine Stahlimplantate und ich dieses Jahr happy anniversary feiern, erscheint mir das immer noch als eine ziemlich große Geschichte - was erklären dürfte, warum ich mich samstagsabends irgendwie auf diese Seite verirrt habe.
Im Gegensatz zur Verfasserin dieses Threads habe ich die Linie OP schon überquert, und auch wenn es sicher schöner wäre, sich mit diesem Thema nie beschäftigen zu müssen, bin ich froh sagen zu können, ich habe so etwas durchgestanden (rückblickend war die OP-Zeit in der Klinik einer meiner besten Sommer, so schräg das klingen mag). Das hilft etwa bei irgendwelchen fiesen Sachen, die der Zahnarzt mit einem anstellen will, und wenn ich vor einer Situation wirklich Schiss habe, muntere ich mich auf: Hey, ich habe ein Rückgrat aus Stahl! Letzten Endes läuft bei mir auch alles auf die OP hinaus, weniger auf die Skoliose an sich, denn ob operiert werden würde oder nicht, stand eigentlich nie wirklich zur Debatte, die Empfehlungen waren eindeutig und ich war bereit die Pille zu schlucken.
Die Zeit nach der OP: ein halbes Jahr Korsett tragen in der Oberstufe - super Timing, und ja, ich ärgere mich über die Fotos in meiner Abizeitung, da sieht man meine kleine Tonne, und ich sitze auch da, als hätt ich was verschluckt. Ich nehme mir das Recht zu dieser kleinen Eitelkeit. Die Reaktionen der Mitschüler waren gespalten, ein Mädel war ganz fürsorglich und hat prinzipiell meine Taschen getragen, ein anderes hat einen Aufstand gemacht, als ich die Vanilleeisfamilienpackung nicht aus der Tiefkühltruhe des Supermarkts holen wollte (gut, die max. 2 kg tragen-Grenze war eine Sache - aber die sollte mal versuchen, mit Korsett im unteren Drittel einer Tiefkühltruhe rumzufischen!). Unterm Strich war ich mit der Krankengeschichte schon einer von den Freaks der Stufe, aber einer von den langweiligen, und ich kam klar.
Völlig am Ende war ich, als die Rechnungen der Klinik eintrudelten - nicht mal wegen der Zahlen am rechten Seitenrand, sondern wegen der minutiösen Aufstellung dessen, was da mit mir angestellt worden ist. Ich hätt mir am liebsten den ganzen Mist rausgerissen! Und paradoxerweise wollte ich es später noch genauer wissen. Bei Gelegenheit besorgte ich mir den OP-Bericht, saß mit dem Pschyrembel daneben (fragte mich, ob die entnommene Rippe wieder eingesetzt worden ist, das steht da nämlich nicht - falls das hier jemand weiß

Ich habe mich öfter gefragt, ob eine psychologische Begleitung da vielleicht ganz gut gewesen wäre. Da ist man sechs Wochen lang mehrere Stunden Fahrt von Zuhause entfernt, ich war da gerade 18 geworden (und durfte Papiere selbst unterschreiben, das war praktisch). Dann wirst du einmal halb aufgeschnitten, es wird (ziemlich brachial) was rausgeräumt, es wird was reingeräumt, ach ja, zwischendurch wecken die dich auf, nicht darüber nachdenken, auf der Intensiv liegt man so hilflos da, wie man zuletzt in den Windeln gelegen hat, dann muss man neu laufen lernen, was echt mal Schmerzen sind, bei dem Punkt hatte ich ziemliche Schwierigkeiten. Kein Spaziergang. Ich habe festgestellt, mir ist das wichtig, mich gelegentlich wieder mit der OP auseinanderzusetzen - akzeptiert, also ja. Aber es spielt trotzdem immer mal wieder eine Rolle.
Wirklich eingeschränkt fühle ich mich nicht. Gelegentlich tut mal was weh, sicher - aber ich weiß nicht mehr, ob´s vorher groß anders war. Ich bin mir sicher, in Sandalen kam ich früher wesentlich galanter rein, aber wenn´s weiter nichts ist. Natürlich stell ich mir die Frage, was später einmal sein und werden wird. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu bekommen, war nicht eben einfach, und sollte mal etwas mit meinem Rücken sein, wird mir die dank Ausschlussklausel nicht viel helfen - was dann? Auch das Thema Schwangerschaft (ganz zu schweigen von allem danach) spukt irgendwo im Kopf herum, nach Ansicht meines Orthopäden nicht die allerbeste Idee, also wird daraus etwas, was nicht einfach geschehen, sondern überlegt und geplant werden sollte, wie schön, noch eine Entscheidung. Die Narben sind ok, wie sie sind - landläufig schön ist etwas anderes, aber ich habe gelernt sie dafür zu mögen was sie sind, nämlich ein Zeichen etwas Besonderes überstanden zu haben, und wenn mir ein Bikini gefällt, nur her damit. Das Gefühl ist noch nicht wieder an allen Hautpartien zurück und wird es wohl auch nie sein, das ist allerdings der Punkt, der mich schon traurig macht. Seltsam.
Es gibt aber auch lustige Dinge. Vergangenes Jahr habe ich bei der Kontrolle in Wildungen ein Mädchen wiedergetroffen, das damals das Zimmer mit mir geteilt hat. Wir haben geradezu in alten Erinnerungen geschwelgt - wobei schwelgen wohl das falsche Wort ist, wir haben Tränen gelacht. Unglaublich, was mit ein paar Jahren Zeitabstand plötzlich saukomisch werden kann. Der Rest des Wartezimmers war weniger amused, fürchte ich.
In meiner Rehasportgymnastikgruppe sind ein paar ältere Herrschaften, die gerne versuchen, sich mit ihren Leiden zu übertrumpfen. Neulich war gerade eine kaputte Schulter und ein Bandscheibenvorfall dabei, zwei Bandscheibenvorfälle auszustechen. Ein älterer Herr lächelte schelmisch und gab dann erwartungsfroh zum Besten, er habe eine 4 cm Schraube in sich sitzen. Ich hab darauf gesagt, ich habe eine, pff, 20 cm Stahlstange plus Schrauben und damit meines Erachtens die Runde gewonnen - damit war die Unterhaltung beendet, komisch, keinen Humor diese Leute....
Puh. Ganz schön lang geworden. Wie auch immer, ich erwarte hierauf keine Antworten - vielleicht aber kommt ja jemandem etwas davon bekannt vor, das wäre schön zu wissen.
Also, macht es gut da draußen! Wie es euch auch gehen mag, ich denke, ihr habt ein Recht auf jede mögliche Empfindung, die diese Krankheit in euch auslösen mag.